BERLIN (dpa-AFX) - Bund und Länder ringen um eine Aussicht auf weitere Lockerungen des monatelangen Corona-Lockdowns - trotz akuter Sorgen wegen wieder steigender Infektionszahlen. Vor Beratungen von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit den Ministerpräsidenten an diesem Mittwoch mahnte die Bundesregierung zur Vorsicht. Aus einigen Ländern kamen ebenfalls Warnungen vor großen neuen Lockerungen, nachdem am Montag bundesweit Friseure wieder öffneten. Zum Absichern weiterer Schritte schlägt das Bundesgesundheitsministerium zwei kostenlose Schnelltests pro Woche für alle Bürger vor. Sie sollen von geschultem Personal abgenommen werden können, etwa in Testzentren oder Praxen.
Regierungssprecher Steffen Seibert sagte in Berlin: "Wir sind jetzt in einer Phase der Hoffnungen, Gott sei Dank. Aber es kann und darf nicht eine Phase der Sorglosigkeit sein." Er verwies auf sinkende Patientenzahlen auf Intensivstationen, anziehende Impfungen und in absehbarer Zeit massenhaft verfügbare Schnelltests. Andererseits gebe es beim Infektionsgeschehen seit einigen Tagen eine steigende Tendenz, zudem breiteten sich ansteckendere Virus-Varianten aus.
Bundesweit lag die Zahl der Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner in sieben Tagen nun bei 66 - und damit höher als am Vortag (63,8), wie das Robert Koch-Institut (RKI) bekannt gab. Der Höchststand war kurz vor Weihnachten mit knapp 200. Bund und Länder streben ein Niveau von 50 an, weitergehende Öffnungen sollen bei stabil unter 35 möglich sein. Es gibt bei den Werten aber weiter regionale Unterschiede - von 50 in Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz bis 126 in Thüringen.
Seibert betonte, dass es bei Schulen, Kitas und nun unter anderem auch bei Friseuren bereits "eine große Öffnungswelle" gebe. Daher sei es sinnvoll, zunächst die Auswirkungen zu beobachten und umsichtig mögliche nächste Schritte zu gehen. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sagte, es dürfe keinen "Öffnungsrausch" geben und keinen "Blindflug in die dritte Welle hinein". Sein sächsischer Amtskollege Michael Kretschmer (CDU) sagte: "In dieser Zeit der steigenden Infektionen kann doch jetzt keine große Lockerung erfolgen." Aus dem System der pauschalen Kontaktvermeidung müsse man in ein System der "sicheren Kontakte" kommen - und zwar mit einem Schnelltestkonzept.
Das Gesundheitsministerium schlägt zwei kostenlose Schnelltests pro Woche für alle vor, die von geschultem Personal abgenommen werden. Das geht aus einem neuen Diskussionspapier des Ministeriums hervor, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Solche "Bürgertests" sollen vorerst bis Ende Juni angeboten werden. Der Starttermin im März ist demnach aber noch offen. Um rasch Kapazitäten zu schaffen, sollen auch Dienstleister beauftragt werden können, die schon an Flughäfen oder Autobahnen kurzfristig Testzentren aufgebaut haben.
Das Ergebnis eines solchen Schnelltests soll man schriftlich oder digital ausgehändigt bekommen - auch zur Vorlage bei Behörden nach der Einreise aus bestimmten Risikogebieten oder etwa beim Besuch von Pflegeheimen. Die Kosten soll der Bund tragen. Dafür geschätzt werden 540 Millionen bis 810 Millionen Euro pro Monat. Dabei wird angenommen, dass etwa 2 bis 2,5 Prozent der Bevölkerung pro Tag ein solches Angebot nutzen. Bei einem positiven Schnelltestergebnis soll man künftig auch gleich vor Ort noch eine weitere Probe nehmen lassen können, um das Ergebnis mit einem genaueren PCR-Tests zu überprüfen.
Daneben sollen Selbsttests für zu Hause kommen, von denen die ersten zugelassen sind. Sie könnten mehr Sicherheit geben, heißt es im Papier - im privaten Kontext für Getestete selbst, aber etwa auch bei Familientreffen. Sinnvoll sei zudem ein Angebot zu ein oder zwei Tests pro Woche für Schülerinnen und Schüler sowie für Beschäftigte in Unternehmen. Die Tests samt einer Einführung in den richtigen Gebrauch müssten Schulen und Arbeitgeber bereitstellen. Denkbar wären auch Selbsttests unter "Aufsicht" vor Ort direkt durch Veranstalter - als Voraussetzung, um Restaurants, Theater oder Kinos zu betreten.
Laut einer Umfrage des Instituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur ist nur noch gut ein Drittel der Befragten für eine Beibehaltung (26 Prozent) oder Verschärfung (9 Prozent) der geltenden Corona-Beschränkungen. 43 Prozent meinen dagegen, der Lockdown sollte weiter gelockert werden. 17 Prozent sind für eine komplette Rückkehr zur Normalität. Die FDP fordert weitere Schritte. "Es ist erfreulich, dass die Friseure wieder öffnen. Systematisch ist das allerdings nicht, weil es auch in anderen Branchen vergleichbare Hygienekonzepte gibt", sagte Fraktionsgeschäftsführer Marco Buschmann der dpa.
Mit einer nächsten Großlieferung des Astrazeneca
Quelle: dpa-AFX