Der Industriekonzern ThyssenKrupp hat nach einem besser als erwartet ausgefallenen Quartal seine Prognose für das laufende Geschäftsjahr erneut erhöht. Dabei hat das Unternehmen von der Erholung der Stahl- und der Automobilindustrie sowie von guten Geschäften mit Industriekomponenten profitiert.
Dazu macht sich die laufende Restrukturierung bezahlt. „Wir haben im zweiten Quartal Boden gut gemacht“, kommentierte die Vorstandsvorsitzende Martina Merz am Dienstag die Entwicklung. „Ausruhen“ dürfe der Konzern sich jedoch nicht. Es liege „noch viel Arbeit vor uns“, so die Managerin. „Die Neuausrichtung von ThyssenKrupp bleibt ein Weg der vielen kleinen Schritte."
Der Börse reichte das aber nicht, die Aktie notiert fast zehn Prozent im Minus. Zwar lobten Marktexperten die besseren Zahlen für das Quartal, mit einer Erhöhung der Prognose war jedoch bereits gerechnet worden. Zudem wurde der weiter hohe Mittelabfluss im Unternehmen bemängelt.
Konjunkturentwicklung im Fokus
ThyssenKrupp spielt die Erholung der Wirtschaft in vielen Teilen der Welt in die Karten. Trotz der anhaltenden Unsicherheit im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie zeigte sich der Konzern zuversichtlicher. Für das laufende Geschäftsjahr 2020/21 (per Ende September) erwartet ThyssenKrupp nun ein Umsatzwachstum im niedrigen zweistelligen Prozentbereich von knapp 29 Milliarden Euro im Vorjahr. Damit dürfte der Konzern jedoch weiter unter Vorkrisenniveau bleiben, teilte ThyssenKrupp in Essen mit. Bislang hatte das Unternehmen ein Plus im hohen einstelligen Prozentbereich in Aussicht gestellt.
Das bereinigte EBIT sieht das Management um Vorstandschefin Merz bei einem mittlerem dreistelligen Millionen-Euro-Betrag, was erheblich mehr ist als das zuvor avisierte „nahezu ausgeglichene“ Ergebnis. Wegen der hohen Restrukturierungskosten geht ThyssenKrupp unter dem Strich weiter von einem Verlust aus, der jedoch mit einem mittleren dreistelligen Millionen-Betrag nicht mehr so hoch ausfallen soll wie ursprünglich geplant.
Im zweiten Quartal konnte ThyssenKrupp von der Erholung von weiten Teilen der Wirtschaft profitieren. Umsatz und bereinigtes EBIT fielen deutlich besser aus, als Analysten erwartet hatten. Beim Stahl sowie beim Stahlhandel machten sich eine höhere Nachfrage sowie gestiegene Preise positiv bemerkbar, wenn auch die Materialverknappung die Umsätze im Stahlhandel belastete. Das Automobilzuliefergeschäft erholte sich ebenfalls deutlich – angetrieben von einer guten Nachfrage in China. Gebremst wurde das Wachstum jedoch durch die Engpässe bei Halbleitern, so ThyssenKrupp. Das Geschäft mit Industriekomponenten entwickelte sich ebenfalls besser, angetrieben unter anderem durch die Nachfrage der Windanlagenbranche.
Starke Auftragsentwicklung
Die Auftragslage zeigte sich robust. So stieg das Neugeschäft um 14 Prozent auf fast 8,7 Milliarden Euro. Der Umsatz erhöhte sich um vier Prozent auf knapp 8,6 Milliarden Euro. Das bereinigte EBIT verbesserte sich erheblich und betrug 220 Millionen Euro nach einem Verlust von 279 Millionen Euro im Vorjahr. Hier machten sich auch Einsparungen positiv bemerkbar. Hohe Restrukturierungskosten führten jedoch unter dem Strich zu einem Verlust von 199 Millionen Euro. Dieser fiel aber spürbar niedriger aus als der Fehlbetrag von 691 Millionen Euro im Vorjahr. Die Vorjahreszahlen sind um die Ergebnisse der im vergangenen Sommer verkauften Aufzugsparte bereinigt.
Im Quartal fielen dabei Restrukturierungskosten von rund 260 Millionen Euro an. Für das Geschäftsjahr sollen die Aufwendungen dafür weiterhin einen mittleren dreistelligen Millionen-Euro-Betrag erreichen. Dabei steht die Stahlsparte besonders im Blick.
Neben hohen Investitionen in die Modernisierung sowie „klimafreundlichen“ Stahl will ThyssenKrupp unter anderem tausende Arbeitsplätze streichen. Nach der Absage des Verkaufs der Sparte will Merz das Geschäft „perspektivisch“ verselbstständigen. Dies benötige jedoch Zeit, erklärte Finanzchef Klaus Keysberg. So werde eine Ausgliederung „definitiv nicht mehr“ in diesem Jahr kommen.
Der Markt hatte von ThyssenKrupp offensichtlich zu viel verlangt. Gerade der Mittelabfluss lässt sich nicht so schnell stoppen, wie manche Anleger erwartet hatten. DER AKTIONÄR bleibt dabei: ThyssenKrupp hat noch einen weiten Weg vor sich, Rückschläge müssen einkalkuliert werden. Doch die angehobene Prognose zeigt, dass es langsam aufwärts geht. Die Aktie bleibt ausnahmslos für spekulative Anleger geeignet.
Mit Material von dpa-AFX