Die Aussicht auf einen heftigen Geldsegen von der Europäischen Zentralbank haben dem deutschen Aktienmarkt am Dienstag zunächst Flügel verliehen. Die ZEW-Indikatoren lagen dagegen unter den Erwartungen. Der DAX reagierte etwas verschnupft, notiert aber weiter deutlich im Plus.
Als Triebfeder verwiesen Börsianer vor allem auf die Nachricht, dass die Europäische Zentralbank (EZB) ihr Anleihekaufprogramm vor der Sommer-Flaute beschleunigen wolle. Die EZB wird wegen der geringeren Handelsaktivität in den Sommermonaten und der erhöhten Marktschwankungen einen Teil ihrer milliardenschweren Wertpapierkäufe vorziehen. Das sagte EZB-Direktor Benoit Coeure am Dienstag in London und löste damit starke Reaktionen an den Devisen-, Anleihen- und Aktienmärkten aus. Weil der Handel am Anleihemarkt von Mitte Juli bis August meist schwächer ausfalle, werde ein Teil der Käufe bereits im Mai und Juni erfolgen, sagte Coeure. Damit sei sichergestellt, dass das durchschnittliche Kaufvolumen von 60 Milliarden Euro je Monat auch dann erreicht werde, wenn in den Sommermonaten weniger gekauft werde. Der Euro fiel in der Folge von über 1,13 US-Dollar auf unter 1,12 Dollar - das macht Waren aus dem Euroraum im Ausland billiger und erleichtert damit den Export.
Aber auch der Konjunkturkalender ist reichlich gefüllt: Die um 11 Uhr veröffentlichten Konjunkturerwartungen deutscher Finanzexperten haben sich im Mai überraschend stark eingetrübt. Der Indikator des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) sei um 11,4 Punkte auf 41,9 Zähler gefallen, teilte das ZEW mit. Dies ist der niedrigste Wert im laufenden Jahr. Bankvolkswirte hatten zwar einen Rückgang erwartet, aber nur auf 49,0 Punkte. Im März hatte der Indikator mit 54,8 Punkten noch den höchsten Stand seit Februar 2014 erreicht. Die Lagebeurteilung sank ebenfalls. Sie fiel um 4,5 Zähler auf 65,7 Punkte. Erwartet wurden hier 68,0 Punkte. "Der Optimismus lässt nach", kommentierte ZEW-Präsident Clemens Fuest. Er begründete dies mit dem unerwartet schwachen Wirtschaftswachstum im ersten Quartal und den jüngsten Turbulenzen an den Aktien- und Anleihemärkten.
Bevor am Donnerstag die Europäische Zentralbank ihr Protokoll vorlegt, wird zur Wochenmitte die Mitschrift des Offenmarktausschusses FOMC der US-Notenbank veröffentlicht und auf dessen Stimmungslage abgeklopft. Nach zahlreichen enttäuschenden Konjunkturdaten aus der weltweit größten Volkswirtschaft setzt sich zunehmend die Auffassung durch, dass die Fed ihre für den Spätsommer erwartete Zinswende verschieben könnte. Das würde die Aktienmärkte vorerst weiter unterstützen, da Aktien im Tiefstzinsumfeld damit weiter als Geldanlageform gefragt blieben.
Am Freitag rückt der Ifo-Index in den Fokus, der die Stimmung der gewerblichen heimischen Wirtschaft widerspiegelt, und wie die Stimmungsindikatoren aus der Eurozone am Donnerstag einen kleinen Dämpfer zeigen dürften. "Dies würde unterstreichen, dass es trotz der konjunkturellen Verbesserung keineswegs rund läuft", schrieb Analyst Christian Apelt von der Landesbank Helaba. Zudem stehen die Inflationsdaten aus den USA und der Eurozone zur Veröffentlichung an.
Was sagt die Charttechnik? Der mögliche Befreiungsschlag mit einem Sprung über den breit angelegten Widerstandsbereich zwischen 11.620 und 11.750 Punkten rückt beim DAX in greifbare Nähe. Im Anschluss dürfte der Leitindex – zumindest aus charttechnischer Sicht – Richtung 12.000 Punkte durchstarten. Anleger, die den Long-Empfehlungen des AKTIONÄR gefolgt sind, sollten ihre Gewinne mit einem engen Stopp absichern. Neueinsteiger nutzen die gute Stimmung und springen auf den fahrenden Zug.
(Mit Material von dpa-AFX)