Am Dienstag-Vormittag stürzten die Aktienkurse in Europa ab, der DAX unterschritt wieder die 200-Tage-Linie. Vor allem europäische Bank-Aktien rauschten in die Tiefe. Die Deutsche Bank sackte unter die Zehn-Euro-Marke und die Commerzbank fiel heute zeitweise bis auf 8,78 Euro. Italien ist schuld. Doch da gibt es noch einen anderen gewichtigen Grund.
Die politische Krise in Italien zieht die europäischen Aktienmärkte abwärts. Aus Furcht vor einem weiteren Erstarken der Europa-kritischen Kräfte in Italien ziehen sich die Anleger in großem Stil aus europäischen Wertpapieren zurück. Auch der Euro leidet massiv und stoppt den Kursrutsch erst kurz vor der 1,15-Dollar-Marke - der tiefste Stand seit Juli 2017. Gleichzeitig flüchteten die Anleger in sichere Häfen: Das deutsche Anleihen-Barometer Bund-Future stieg zeitweise um mehr als ein Prozent auf ein neues Jahreshoch bei 163,74 Euro. Gold verteuerte sich auf 1.304 Dollar.
Steuert Europa auf eine neue Euro-Krise zu?
Nach der gescheiterten Regierungsbildung durch die populistische Fünf-Sterne-Bewegung und die rechtsextreme Lega steuert Italien auf Neuwahlen zu. Diese Wahl werde de facto zu einem Referendum über den Verbleib Italiens in der Europäischen Union und der Euro-Zone, warnte Francesco Galietti, Chef der Politikberatung Policy Sonar. "Das ist eine existenzielle Gefahr für die Euro-Zone."
Analyst Jochen Stanzl vom Online-Broker CMC Markets erläuterte gegenüber Reuters: "In einer Zeit, wo auch die Wirtschaftsdaten andeuten, dass der konjunkturelle Höhepunkt schon wieder überschritten sein könnte, macht das Gespenst einer nächsten Euro-Krise die Runde."
EZB könnte Anleihenkäufe noch fortsetzen
Vor allem der Anleihenmarkt befindet sich wegen Italien schon im Krisenmodus, bestätigte Portfolio-Manager Thomas Altmann vom Vermögensberater QC Partners. Italienische Staatsanleihen wurden heute - anders als Bundes-Papiere - massiv verkauft. Die Rendite für 10-jährige stieg in der Spitze auf 3,4 Prozent. Es stelle sich die Frage, ob die Europäische Zentralbank (EZB) vor dem Hintergrund der jüngsten Kursverluste ihre Anleihekäufe wie geplant zurückfahren könne.
Unter erheblichen Druck geriet vor allem der europäische Bankensektor. Der italienische Banken-Index brach um bis zu 5,6 Prozent ein, so stark wie zuletzt vor knapp zwei Jahren. Sein Pendant für die Euro-Zone steuerte mit einem Minus von fünf Prozent auf den größten Tagesverlust seit Sommer 2016 zu. Die Aktie der Deutschen Bank rutschte unter die psychologisch wichtige Marke von 10,00 Euro und war mit 9,71 Euro zeitweise so billig wie zuletzt vor eineinhalb Jahren.
Commerzbank-Papiere kosteten zwischenzeitlich nur noch 8,82 Euro - ein Zwölf-Monats-Tief. Banken gelten als Profiteure steigender Zinsen in Europa und könnten nun von einer Verlängerung der ultralockeren Geldpolitik der EZB belastet werden. „Das mindert den Anreiz, überhaupt Bankenaktien zu besitzen“, sagte Analyst Arnaud Girod von Kepler.
Türkei-Krise könnte Italien in den Schatten stellen
Verstärkt wird das Krisen-Szenario durch die Türkei. Die Lage am Devisenmarkt könnte die Italien-Sorgen noch überwiegen. Mit dem Absturz der türkischen Lira auf immer neue Tiefstände geraten nämlich die Kredite in Schieflage, die Europas Banken an türkische Unternehmen vergeben haben. Mit jedem Prozent, den die Lira verliert, steigen automatisch die Schulden in Dollar und Euro. Die ersten türkischen Firmen können ihren finanziellen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen und mussten ihre Kredite restrukturieren.
Umgerechnet knapp 200 Milliarden Euro haben Banken weltweit der Türkei geliehen. Vor allem spanische und französische Banken sind dort engagiert. „Europäische Banken sind anfällig für eine sich zuspitzende Krise in der Türkei“, wird Charles Gave, Stratege beim unabhängigen Analysehaus GaveKal, von der Welt zitiert. „Wenn es zu größeren Ausfällen in der Türkei kommt, braucht es wenig Fantasie, um neue Banken-Turbulenzen in Europa vorherzusagen.“
Finanzwerte derzeit tabu
Der Absturz der Finanzwerte hat die Stopp-Loss-Marken für die Commerzbank (bei 10,00 Euro) bereits in der vergangenen Woche und für die Deutsche Bank (ebenfalls 10,00 Euro) heute gerissen. Auf absehbare Zeit heißt es für Aktien-Käufer: Finger weg von Bank-Aktien.