Goldinvestoren lieben es, ihre Münzen in den Händen zu halten. Warren Buffett öffnet und schlürft täglich mindestens eine Coca-Cola-Dose, um mit seiner Lieblingsaktie in Kontakt zu bleiben. Doch Linde ist alles andere als ein Investment zum Anfassen: Unsichtbare und flüchtige Gase für die Bearbeitung von Stahl, Kraftstoffen oder Lebensmitteln sind das Hauptgeschäft des DAX-Konzerns. Vielleicht ist Linde auch aus diesem Grund vielen Anlegern eher suspekt – die Aktie führt im Vergleich zu Lieblingen wie der Commerzbank ein Schattendasein. Zu Unrecht! Das Geschäft brummt, die Aktie haussiert und Megatrends wie Healthcare oder erneuerbare Energien sorgen für viel Fantasie.
Wasserstoff-Hype voraus
Elektroautos wie der Tesla S oder BMW i3 sind in aller Munde. Doch viele Experten sind sich sicher: Batteriebetriebene Fahrzeuge sind nur eine Übergangslösung. Die Zukunft gehört der Brennstoffzelle. Sie ist nicht nur umweltfreundlich, sondern bringt auch die nötige Reichweite mit: Brennstoffzellenautos können in Sekundenschnelle neu betankt werden – mit Wasserstoff. Und hier kommt Linde ins Spiel. Der DAX-Konzern hantiert und handelt schon seit über 100 Jahren mit dem explosiven Stoff. Vor 25 Jahren war Linde dann der Erste, der Wasserstoff als Autokraftstoff ins Spiel brachte.
Und nun wird die Vision Realität: Toyota wird 2015 endlich ein mit Wasserstoff betriebenes Serienfahrzeug auf den Markt bringen. Zunächst lohnt sich der Kauf eines solchen Autoexoten vor allem in Japan, wo die Regierung diesen Antrieb fördert. Schließlich liegen die Kosten für den neuen Toyota mit Brennstoffzelle bei 70.000 Euro. Doch Presseberichten zufolge ist 2020 bereits ein hochattraktiver Preis von 20.000 Euro denkbar.
Hier sehen Sie ein aktuelles Interview des AKTIONÄR mit dem DAF zu Linde und Manz.
Dann muss nur noch eine Hürde genommen werden: den Wasserstoff bereitzustellen und betankbar zu machen. Und niemand kann das besser als Linde. Gemeinsam mit Partnern wie Siemens wurde in Mainz der Startschuss für eine Pilotanlage gegeben. Diese wird ab 2015 Wasserstoff aus Windkraftanlagen herstellen. Linde ist für die Reinigung, Verdichtung, Speicherung und Abfüllung des Wasserstoffs verantwortlich. Mit Tankwagen werden dann Wasserstoff-Tankstellen beliefert. Noch mangelt es an Möglichkeiten, sein „grünes“ Auto zu betanken. 2013 gab es in Deutschland nur 15 Tankstellen. Doch 2015 sind 50 geplant und 2023 soll mit 400 Tankstellen ein engmaschiges Netz entstanden sein.
Statt Schweröl: Flüssiggas
Bis sich Wasserstoff in der Breite durchsetzt, baut Linde auch auf Flüssigerdgas (LNG). LNG ist ein fossiler Brennstoff, jedoch umweltfreundlicher als Benzin oder Diesel. Schiffbetreiber gehen aufgrund strenger Emissionsgrenzwerte dazu über, statt Schweröl LNG zu tanken. Mitte 2014 wird Linde daher in Rotterdam eine LNG-Anlage eröffnen. Auch deutsche Häfen rüsten auf das umweltfreundliche LNG um. So sollen von 2015 an Schiffe in allen Häfen entlang der Nord- und Ostseeküste mit dem sauberen Treibstoff versorgt werden können.
Gas für Bier, Stahl, Torten ...
Verschiedenste Linde-Gase werden in fast jeder Industrie eingesetzt. Ob Sauerstoff für die effiziente Verbrennung in chinesischen Stahlöfen, Kohlensäureanlagen für die Herstellung von Limonaden und Bier oder diverse Gase für die Verpackung von Lebensmitteln – das weltgrößte Gas- und Engineering-Unternehmen mischt mit seinen 63.500 Mitarbeitern überall mit. Immer öfter baut Linde dabei Anlagen direkt neben den Fabriken seiner Kunden.
... und für Menschen
Aufgrund der alternden Weltbevölkerung ist auch der Bereich Healthcare ein reinrassiger Wachstumsmarkt. Der scheidende CEO Wolfgang Reizle wies in einem Investorentreffen noch einmal auf das „große Potenzial“ hin, Patienten in der Hauskrankenpflege mit Sauerstoff zu versorgen. Aktuell kümmert sich Linde weltweit um 1,4 Millionen Hauspatienten – der Markt ist insgesamt 100 Millionen groß.
Für das erste Quartal hatte Linde aufgrund von Währungseffekten noch durchwachsene Zahlen vorgelegt. Im Gesamtjahr will Linde jedoch mit 6,5 Prozent wachsen und den operativen Gewinn um 3,5 bis 5,5 Prozent steigern. Und es geht weiter. Analysten erwarten im Schnitt bis 2017 eine Steigerung des Gewinns je Aktie gegenüber 2013 um 60 Prozent auf rund elf Euro.
Handfestes Investment
Linde profitiert von großen Trends wie dem Brennstoffzellenauto oder Healthcare. Und angesichts einer Dividendenrendite von zwei Prozent greifen Anleger mit einem Investment in den Gas-Verkäufer alles andere als ins Leere. Charttechnisch ist das Papier gerade auf ein neues Hoch ausgebrochen und hat ein klares Kaufsignal geliefert.
Dieser Artikel ist in der AKTIONÄR-Ausgabe 23/2014 als „Topp-Tipp Konservativ“ erschienen.