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Dirk Müller: Die Ukrainekrise ist noch längst nicht vom Tisch

Dirk Müller: Die Ukrainekrise ist noch längst nicht vom Tisch
Foto: Börsenmedien AG
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Andreas Deutsch 18.11.2014 Andreas Deutsch

Monatelang hat das Thema Ukraine die Anleger beschäftigt. Es ging sogar die Angst um vor einem neuen Kalten Krieg. Nun ist es still geworden um die Thematik. Zu Unrecht, warnt Börsenexperte und Bestsellerautor Dirk Müller.

Damit ist Müller in prominenter Gesellschaft. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat während ihres Besuchs in Sydney vor einem großen Flächenbrand durch die Ukraine-Krise gewarnt. „Die Ukraine-Krise ist wahrlich keineswegs allein eine regionale Angelegenheit. Nein, an diesem Beispiel sehen wir: sie betrifft uns alle“, so die Kanzlerin. Besondere Risiken sieht Merkel für Georgien, Moldawien und Serbien.

Dirk Müller warnt schon seit Monaten vor den unterschätzten Gefahren der Ukrainekrise. In der erweiterten Taschenbuchausgabe seines Buches „Showdown - Der Kampf um Europa und unser Geld“ widmet er sich ausgiebig diesem Thema. DER AKTIONÄR sprach mit Mister DAX.

DER AKTIONÄR: Herr Müller, die Ukrainekrise erweist sich als zäh. Wie schätzen Sie die Lage ein?

DIRK MÜLLER: Die Entwicklungen in der Ukraine werden durch große geopolitische Interessen von Seiten Amerikas und Russlands getrieben. Wir dürfen uns beim Blick auf die Ukraine nicht immer wieder im Tagesgeschehen verlieren, sondern müssen den Blick auf das Große und Ganze richten. Dann wird klar, dass zwei große Spieler versuchen auf dem Rücken der ukrainischen Bevölkerung und ohne Rücksichtnahme auf zum Beispiel auch europäische Interessen, ihre politische Agenda aggressiv durchzubringen.

Welche Schritte müsste man einleiten, um die Ukraine sowohl wirtschaftlich als auch sozial wieder voranzubringen?

Die Bevölkerung der Ost- und Westukraine führt einen Stellvertreterkrieg. Aktuell dominieren die großen Machtinteressen alles andere. Solange weder Amerika noch Russland von der jeweiligen Agenda abrücken, sehen wir in der Ukraine im besten Fall einen Stillstand. Es gibt keine Möglichkeit, das Land unter diesen Voraussetzungen wirtschaftlich oder sozial voranzubringen, da alle Bemühungen einer Seite immer von der Gegenseite torpediert werden würden.

Längst spüren viele Unternehmen auch wirtschaftliche Auswirkungen des Konflikts. Wie beurteilen Sie die Situation aus Börsensicht?

Wir sehen im DAX eine große Verunsicherung und immer wieder Reaktionen auf kurzfristige Entwicklungen in der Ukraine. Klar ist, dass der DAX momentan nicht von wirtschaftlichen Entwicklungen bestimmt wird. Es sind politische Börsen. Die Geldströme der EZB fließen in die Aktienmärkte, aber nicht in die Wirtschaft. Wir sehen eine zunehmend rezessive Entwicklung und eine tendenziell deflationäre Preisentwicklung in Europa. Die Wirtschaftsleistung geht weiter zurück. Da ist eine Abtrennung eines sehr wichtigen Partners wie Russland eine nicht nachvollziehbare weitere negative Entwicklung, die wir nicht gebrauchen können.

Die Deutsche Bank warnt vor dem größten Kapitalabzug in der Geschichte und prognostiziert ein Absacken des Euro bis auf 0,95 Dollar im Jahr 2017. Was halten Sie davon?

Das ist nicht so unrealistisch, wie viele das vielleicht vermuten. Tatsächlich sehen wir, wie Europa mit zunehmenden Schwierigkeiten kämpft und der Euro weiter unter Druck gerät. Ob wir nun bei 95 Cent oder 1,10 Euro landen ist schwer zu prognostizieren, aber vom jetzigen Niveau aus ist sicher noch Luft nach unten.

Warum?

Trotz zahlreicher Notbankmaßnahmen kommen wir in Europa nicht vom Fleck. Wir müssen erkennen, und das wird viel zu wenig diskutiert, dass die Maßnahmen, die die EU unter Maßgabe der Bundesregierung in der Krise ab 2008 und drauffolgend gezogen hat, für Europa völlig falsch waren und die Krise verschärft haben. In der Krise zu sparen führt zum Zusammenbruch der Wirtschaft, zu Massenarbeitslosigkeit und zur Radikalisierung der Bevölkerung, wie wir dies in Griechenland sehen.

Was schlagen Sie vor?

Wir müssen es schaffen, die Wirtschaft mit privatem Vermögen in Form von Eigenkapitalbeteiligung anzukurbeln und so sukzessive die Schulden im System zu reduzieren. Wir müssen den natürlichen Kreislauf des Geldes wieder in Fluss bringen und nicht weiter versuchen Geld durch neue Kredite in Umlauf zu bringen. Dazu diskutiere ich bereits seit längerem auf hoher Ebene ein umfassendes Konzept zum Thema Investition in Infrastruktur durch neu zu schaffende Fonds, deren Struktur die privaten Haushalte und Versicherungen auch nachhaltig zur Teilnahme motiviert und gleichzeitig für alle Teile der Gesellschaft einen starken Mehrwert bietet. Ein Win-Win-Konzept. Geht nicht!? Gibt’s nicht! Für die Details bitte ich noch um ein wenig Geduld.

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