Nach der Rekordfahrt legen die Märkte derzeit eine Pause ein. Die Anleger fragen sich nun: War es das schon mit der Rallye? Oder sollte man die Kursschwächen zum Einstieg nutzen? Hans A. Bernecker lässt sich von der Schwächephase nicht nervös machen. Er sieht ein paar sehr gute Kaufchancen am Aktienmarkt.
DER AKTIONÄR: Herr Bernecker, der DAX kämpft mit der 10.000-Punkte-Marke. War es das schon mit der Rallye?
Hans A. Bernecker: Wir befinden uns in einer gesunden Konsolidierungsphase. Meiner Meinung nach gibt es keinen Grund zur Beunruhigung. Die aktuelle Situation erinnert mich stark an das, was wir ab 2003 erlebt haben. Sie erinnern sich: Fast mit Beginn des Irakkriegs erholten sich die Aktienmärkte nach drei Jahren Baisse. 2004 kam es zu einer wochenlangen Konsolidierung, ebenso 2005. Im Jahr 2006 korrigierte der Markt um mehrere Hundert Punkte. Das änderte nichts am famosen Aufwärtstrend, der sich bis zur Finanzkrise fortsetzte. In dieser Zeit hat sich der DAX mehr als verdoppelt.
Wann startet der DAX wieder durch?
Gehen Sie davon aus, dass noch im Juli der Startschuss für eine Rallye fällt. Sie wird nicht explosiv sein, sondern sich Schritt für Schritt entwickeln. Im Frühjahr 2015 wird der DAX bei 11.000 Zählern stehen, da bin ich mir sicher.
Was macht Sie so optimistisch?
Ganz einfach: Die Weltkonjunktur entwickelt sich solide, was dazu führt, dass die Unternehmen Umsatz und Gewinn weiter steigern. Ich erwarte, dass die Berichtssaison, die jetzt bald losgeht, insgesamt positiv wird. Außerdem sind Aktien immer noch alles andere als teuer. Das 2015er-KGV beträgt nur knapp 12.
Nun haben aber sowohl die Lufthansa als auch Vossloh und Bilfinger den Markt mit einer Gewinnwarnung geschockt. Sind das nicht schlechte Vorzeichen für die Berichtssaison?
Aus ein paar Gewinnwarnungen würde ich keinen negativen Trend konstruieren. Außerdem waren die Kurseinbrüche völlig übertrieben.
Wie sieht es in den USA aus? Wird auch dort die Berichtssaison positiv?
Sehr wahrscheinlich. Aber insgesamt finde ich in den kommenden Monaten viel spannender, welche Strategien die Konzerne fahren werden, und nicht, was sie im zweiten Quartal verdient haben. Das zweite Halbjahr wird geprägt sein von etlichen Fusionen und Übernahmen. Da bin ich mir sicher. Viele Märkte und Geschäftsfelder sind gesättigt. Die Unternehmen können hier nicht mehr organisch, sondern nur mithilfe von Zukäufen und Zusammenschlüssen wachsen.
Welche Unternehmen meinen Sie?
Unter anderem die Deutsche Telekom. Der Konzern wird sein US-Geschäft verkaufen und in Europa kleinere Firmen aus der Telekombranche zukaufen. Bayer muss den letzten, großen Deal mit der Merck-Sparte erst mal verdauen, wird danach aber weiter zukaufen. Ebenso die Linde AG, die zukaufen muss, um das aufstrebende Geschäft mit Schiefergas zu stärken.
Das sind aber nur einige Firmen, am Ende werden es sehr viel mehr sein. Weltweit.
Herr Bernecker, welche Aktien haben in der zweiten Jahreshälfte Potenzial?
Unter anderem RWE und E.on, einfach deswegen, weil die Firmen zu günstig bewertet sind. Die Aktien notieren trotz der zuletzt positiven Kursentwicklung immer noch unter Buchwert. 20 Prozent sollten die Aktien in den kommenden Monaten zulegen.
Eine der großen Enttäuschungen im ersten Halbjahr war die Adidas-Aktie. Wie geht es hier weiter?
Adidas ist für mich ein Übernahmekandidat. Das Unternehmen ist im überaus lukrativen Markt für Sportartikel die Nummer 2. Wer in diesem Markt Fuß fassen will, muss einen der etablierten Anbieter übernehmen. Nike hat einen Börsenwert von 68 Milliarden Dollar und ist damit zu groß. Puma gehört zu einem großen Teil zu Kering und scheidet als Übernahmeziel aus. Bleibt die weltweite Nummer 2: Adidas. Der Konzern wird an der Börse mit 15 Milliarden Euro bewertet. Das ist nun wirklich nicht viel.
Welcher Konzern sollte Adidas übernehmen?
Wahrscheinlich eine asiatische Adresse. Einen Namen kann ich aber nicht nennen. Dafür ist es zu früh.
Eine weitere Enttäuschung ist die Deutsche Bank. Wie geht es hier weiter?
Der Kursverlauf ist ein Desaster. Ich glaube, dass der Vorstandsvorsitz für Anshu Jain und Jürgen Fitschen eine Nummer zu groß ist.
Sehen Sie, ich halte die Deutsche Bank für eine Schlüsselaktie im DAX. Damit meine ich nicht die Performance, sondern die Bedeutung der Deutschen Bank für den Finanzplatz Deutschland und die deutsche Konjunktur. Jain und Fitschen schaffen es bislang nicht, dem Markt klarzumachen, welche Strategie sie verfolgen. Womöglich haben sie keine richtige Strategie. Und wenn man sich den Aktienkurs anschaut, glaubt der Markt offenbar auch nicht daran, dass Fitschen und Jain in den kommenden Monaten eine überzeugende Strategie vorlegen werden.
Bei welchem Kurs müsste die Deutsche-Bank-Aktie normalerweise stehen?
Doppelt so hoch wie jetzt. Voraussetzungen: Die Rechtsrisiken in den USA werden ausgeräumt und der Vorstand liefert endlich oder wird ausgetauscht.
Herr Bernecker, vielen Dank für das Gespräch.