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17.09.2016 ‧ Bianca Wirth

Breites Interesse

Cannabis als Bestandteil von Arzneimitteln steht weltweit vor dem Durchbruch. Großer Profiteur: Die Aktie von GW Pharmaceuticals.

Der Staat wird zum Drogendealer. Zumindest fast. Denn künftig soll Marihuana in Deutschland unter staatlicher Aufsicht angebaut werden. Zu medizinischen Zwecken, versteht sich. Hintergrund ist eine Änderung des Betäubungsmittelrechts, die das Kabinett vor wenigen Monaten beschlossen hat. Demnach können sich Schwerstkranke und Patienten, für die es keine Therapie-Alternativen gibt, Gras- und Cannabis-Arzneien ganz legal in der Apotheke holen. Die Kosten erstattet die gesetzliche Krankenversicherung. Bisher haben lediglich 779 Patienten die Erlaubnis des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), Cannabis in der Apotheke zu kaufen. Zu wenige, findet Franjo Grotenhermer, Geschäftsführer der International Association for Cannabinoid Medicines (IACM). Laut seinen Schätzungen benötigen in Deutschland bis zu 1,6 Millionen Menschen eine Behandlung mit Medizin auf Cannabis-Basis. Menschen, die durch die jetzige Gesetzesänderung leichter an die benötigte Medizin kommen. Seriöse Schätzungen, mit denen sich auf das Marktvolumen schließen ließe, sind praktisch nicht verfügbar. 2012 kostete ein Gramm Cannabis in der Apotheke jedoch zwischen 14 und 17 Euro. In verschiedenen Medienberichten veranschlagen Patienten ihren Bedarf zudem mit 30 bis 50 Gramm pro Monat. In der Mitte sind das Kosten von rund 600 Euro pro Monat und Betroffenem. Selbst mit einem ordentlichen Sicherheitspuffer versehen und mögliche Schwierigkeiten – etwa Lieferengpässe – außer Acht gelassen, könnte das Marktvolumen für Medizinalhanf hierzulande auf das Jahr gerechnet leicht mehr als eine Milliarde Euro erreichen.

Wer profitiert?

Was die schrittweise Legalisierung von Marihuana betrifft, ist Amerika schon weiter. Dort ist medizinisches Marihuana derzeit in 23 Bundesstaaten legal erhältlich – und ein Riesengeschäft. 2015 wurde allein in Kalifornien, Colorado, Washington, Arizona und Michigan ein Umsatz von 2,7 Milliarden Dollar erzielt. 74 Prozent mehr als im Vorjahr. Hauptprofiteure dieser Entwicklung sind Pharmaunternehmen, die sich auf Medizinalhanf spezialisieren, darunter die britische GW Pharmaceuticals.

Die „grüne“ Revolution

Ziel der Unternehmensgründer Geoffrey Guy und Britain Whittle war von Beginn an die Entwicklung marktfähiger Cannabis-Medikamente. Es dauerte über zehn Jahre, bis sie das erste Medikament auf Cannabis-Basis auf den Markt brachten: Sativex, ein Mundspray, das unter anderem zur Behandlung von multipler Sklerose (MS) zum Einsatz kommt. Das Spray basiert auf den beiden Wirkstoffen Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBC) und lindert die Folgen der MS-Erkrankung. Nach der Erstzulassung 2010 in Großbritannien folgten zahlreiche weitere. Heute ist das Hanfmedikament in 27 Ländern zugelassen, darunter in Großbritannien, Deutschland und Italien. Der Preis für 30 Milliliter Sativex, einer Monatsdosis, beträgt in Deutschland fast 600 Euro. Gelingt es GW Pharmaceuticals auch nur zehn Prozent der in Deutschland an multipler Sklerose erkrankten Menschen (circa 200.000) als Kunden zu gewinnen, ergibt sich für die Briten ein Umsatzpotenzial von mehr als 140 Millionen Euro. Zum Vergleich: 2015 erzielte GW Pharmaceuticals insgesamt Erlöse von 43 Millionen Dollar und verbuchte – aufgrund enormer Forschungskosten – einen operativen Verlust von 86 Millionen Dollar.

Markteintritt in den USA?

Neben der Behandlung von MS-Beschwerden wird Sativex in Kanada auch Krebspatienten zur Schmerzbehandlung verschrieben. Zu diesem Zweck könnte das Mundspray schon bald auch in den USA erhältlich sein. Derzeit läuft die dritte Phase der klinischen Studien, die die Eignung prüfen soll. Doch nicht nur bei Krebs und multipler Sklerose ist die Medikation mit Cannabis hilfreich. Auch bei der Behandlung von Epilepsie zeigen sich erste Erfolge mit Epidiolex. Ebenfalls ein Medikament von GW Pharmaceuticals, das zu 100 Prozent aus reinem Cannabidiol besteht.

Prüfung bestanden

Vor wenigen Tagen hat Epidiolex die letzte Prüfphase vor der Zulassung durchlaufen. Diese sollte die Auswirkungen bei der Behandlung des Lennox-Gastaut Syndroms zeigen – eine seltene und schwer zu behandelnde Form von Epilepsie, die bei Kindern auftritt. Das Ergebnis: Epidiolex reduzierte die Anzahl der Anfälle in einem Monat um bis zu 44 Prozent. Bereits im März hatten die Forscher festgestellt, dass Epidiolex auch positive Effekte auf das sogenannte Dravet-Syndrom hat – eine seltene, schwere und bislang therapie-resistente Art der Epilepsie. In den USA wurde für Epidiolex außerdem ein „expanded access“ Programm etabliert, bei dem 450 Kinder das Medikament kostenlos von ihrem Arzt bekamen. Ergebnis: Nach drei Monaten waren über zwölf Prozent der Behandelten anfallsfrei. GW Pharmaceuticals plant, das Medikament bis Mitte 2017 auf den US-Markt zu bringen. Das wäre ein echter Durchbruch.
Zwar wird Cannabis in einigen amerikanischen Staaten bereits heute medizinisch verordnet – allerdings fehlte GW Pharmaceuticals bislang die Zulassung. Aber die Zulassung für Sativex befindet sich bereits in der Endphase und Epidiolex hat mit den durchgeführten Studien bereits einen Fuß in der Tür. Auch die wachsende Zustimmung unter der amerikanischen Bevölkerung, Cannabis zu legalisieren, dürfte GW Pharmaceuticals in die Karten spielen. Sollte Cannabis landesweit verfügbar gemacht werden, dürfte sich das Marktvolumen vervielfachen. Studien gehen allein für den Bundesstaat Washington von einem Volumen von einer Milliarde Dollar aus.

Reinrassiger Hot-Stock

GW Pharmaceuticals ist nichts für Anleger mit schwachen Nerven. Doch das Bewusstsein, Cannabis nicht nur als Droge, sondern als medizinische Alternative zu sehen, wächst. Bekommt das Unternehmen die Zulassung für seine beiden Cannabis-Medikamente, ist der Kursschub bei der Aktie vorprogrammiert.

Dieser Artikel erschien bereits in der Ausgabe 30/16 von DER AKTIONÄR als Hot-Stock der Woche.

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