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Börsenexperte Thomas Gebert: Verkaufen!

Börsenexperte Thomas Gebert: Verkaufen!
Foto: Börsenmedien AG
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Stefan Sommer 13.05.2016 Stefan Sommer

Mit seinem Börsenindikator hat Thomas Gebert einen der zuverlässigsten Gesamtmarktindikatoren überhaupt entwickelt. Seit Anfang Mai zeigt dieser nun rotes Licht. Im Interview erklärt der Börsenexperte die Hintergründe.

Herr Gebert, der Börsenindikator hat in der letzten Woche am Montag ein Verkaufssignal geliefert. Warum?
Am 1. Mai hat die statistisch gesehen ungünstige Jahreszeit begonnen, die Inflationsrate lag über ihrem Vorjahreswert und der Dollarkurs darunter. So blieb ein einziger positiver Punkt für den Börsenindikator und damit erschien ein Verkaufssignal. Wir sind mittlerweile in einem Umfeld gelandet, das in der Vergangenheit eher ungünstig für die weitere Börsenentwicklung gewirkt hat. Der Ölpreis ist stark angestiegen, um über 75 Prozent, wenn auch von einem sehr niedrigen Niveau aus, die Inflationsrate steigt leicht an, ebenfalls von einem niedrigen Niveau aus und der Dollarkurs hat sehr deutlich an Wert verloren. Daraus ist in der Vergangenheit selten eine Hausse entstanden.


Wo sehen Sie den DAX am Jahresende?
Mit Kusszielen wird immer etwas leichtfertig umgegangen. Wenn jemand auftritt und im Brustton der Überzeugung sagt, der DAX steigt auf 14.000 Punkte - mindestens, glauben das viele und kaufen. Was ist, wenn er nun nicht steigt, sondern fällt? Ohnehin scheint es mir fragwürdig aus bekannten Tatsachen ein Kursziel abzuleiten. Warum ist der DAX dann da nicht schon? Im Fernsehen wurde von einem Experten die Jahrhundert-Hausse ausgerufen, weil die Dividendenrendite der Aktien bei drei Prozent liegt. Wie soll das denn gehen? Das weiß doch jeder, dass die Dividendenrendite drei Prozent ist. Wacht da morgens einer auf und merkt auf einmal „Oh, Mann die Dividendenrendite steht ja bei drei Prozent“ und kauft dann den DAX auf 13.000 Punkte hoch? Oder wie soll ich mir das vorstellen? Ich bin schlau und alle anderen sind blöd, die sehen das nicht, ist an der Börse der falsche Ansatz. Der umgekehrte Weg ist richtig: Ich bin blöd und der DAX ist schlau, führt zum Ziel. Ich muss immer versuchen herauszubekommen, was der DAX mir sagen will. Was ist es, das er sieht, das ich nicht sehe? Was weiß er, das ich nicht verstehe? Die DAX-Kurse machen Harvard-Abgänger in den großen Fonds in New York und die sind mindestens so intelligent wie ich, vermutlich sogar wesentlich intelligenter. Deshalb, wenn ich den DAX als billig einstufe, muss es nicht heißen: Oh, da muss ich kaufen! sondern: Oh, da geht es dem DAX ja wesentlich schlechter, als ich dachte. Das gilt auch für einzelne Aktien. Die Suche nach der billigen Aktie ist der Weg ins Verderben. Zu meinen, man findet da als einziger eine unterbewertete Aktie, ist illusorisch. Ich sehe was, was Du nicht siehst, braucht man an der Börse nicht spielen.


Da scheinen Sie ja langfristig nicht so sehr optimistisch zu sein?
Ich versuche realistisch zu sein. Der DAX ist in den letzten 55 Jahren im Mittel 5,7 Prozent pro Jahr gestiegen. Wenn wir diese Wachstumsrate – und da waren die Wirtschaftswunder-Jahre eingeschlossen - fortschreiben, wären wir in zehn Jahren bei 17.400 Punkten. Die Inflationsrate betrug in dieser Zeit jedoch 2,8 Prozent. Nun haben wir keine Inflation mehr. Wenn wir die raus rechnen, stieg der DAX 2,9 Prozent pro Jahr seit 1960. Wenn wir diese Rate in die Zukunft extrapolieren kommen wir auf 13.300 Punkte in zehn Jahren. In dieser Zeit sind die Zinsen stark gesunken, was kurstreibend wirkt. Das macht ungefähr 0,9 Prozent pro Jahr aus. Das fällt weg, weil die Zinsen nicht mehr sinken können. Bleiben zwei Prozent pro Jahr ohne sinkende Zinsen und ohne Inflation. Damit wären wir in zehn Jahren bei 12.190 Punkten. Diese zwei Prozent, die der DAX in dieser Zeit real ohne sinkende Zinsen zugelegt hat, beruhen auf dem Produktivitätsfortschritt, der im Mittel der letzten Jahrzehnte eben diese zwei Prozent betrug. In den letzten Jahren tendiert das Produktivitätswachstum in den westlichen Ländern allerdings gegen Null. In Deutschland ist es sogar in den letzten fünf Jahren negativ. Mit einem Produktivitätswachstum von null ohne Inflation und ohne sinkende Zinsen steht der DAX in zehn Jahren bei 10.000 Punkten. Deutlich höhere Kurse in zehn Jahren kann ich mir im Moment nur schwer vorstellen. Und die 10.000 auch nur, wenn nichts dazwischen kommt.


Was kann denn dazwischen kommen?
Die Verschuldung hat sich in den letzten Jahren extrem erhöht. Die Staatsverschuldung der Amerikaner hat sich in den letzten acht Jahren verdoppelt. Die US-Wirtschaft ist trotz dieser gigantischen Nachfrage auf Pump kaum gewachsen. Die Gesamtverschuldung Chinas beträgt mittlerweile 250 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Chinesische Firmen stehen mit 200 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in der Kreide. Dieser Wert hat sich in letzten zehn Jahren mehr als verdoppelt. In Europa haben Firmen zum Vergleich etwa 50 Prozent des Bruttoinlandsprodukts Schulden. In den USA nehmen Firmen in einem atemberaubenden Tempo neue Kredite auf. Allein im letzten Jahr luden die im S&P-Index vertretenen Firmen 400 Milliarden Euro neue Schulden auf. Gleichzeitig kauften sie für 400 Milliarden Dollar eigene Aktien zurück. Das machen sie, weil die Gehälter der Vorstände an die Aktienkursentwicklung gekoppelt sind. Sie Kaufen damit auf Firmenkredit ihre eigenen Gehälter hoch. Würde ich an ihrer Stelle ja auch so machen. Das ist ein Selbstbedienungsladen. Damit liegt jetzt bei den im S&P-Index vertretenen Firmen die Summe aus Kurswert der Firma plus Verschuldung geteilt durch den operativen Cashflow auf dem höchsten Stand der jemals erreicht wurde, höher als im Jahr 2007 vor der Finanzkrise und sogar höher als im Jahr 2000 vor dem Platzen der Internetblase. Hauptkäufer amerikanischer Aktien in den letzten Jahren waren die US-Firmen selbst, die ihre eigenen Aktien auf Kredit gekauft haben. Das jetzige Aktienkursniveau ist auf Sand gebaut. Solange die Wirtschaft noch ein wenig wächst, kann es so weiter gehen. Doch wenn das Wirtschaftswachstum gegen null oder darunter tendiert - im ersten Quartal wuchs es in den USA nur noch mit einer Rate von 0,5 Prozent -, lässt sich dieser Schuldenberg nicht mehr aufrecht erhalten. Hinzu kommt, dass die Wirtschaft nicht mehr angekurbelt werden kann. Auf Kredit zusätzliche Nachfrage ist ausgeschöpft und die Zinsen kann man auch nicht mehr senken. Deshalb hat der DAX auch so komisch reagiert, im letzten August und in diesem Februar, als es so aussah, dass sich die Weltwirtschaft abschwächt. Offenbar weiß er, was da auf ihn zukommen kann.


Das klingt ja nicht erheiternd. Was soll der Anleger machen?
Als erstes zu versuchen, kein Geld zu verlieren. Eine-US Staatsanleihe, eine Deutsche Bundesanleihe und bedingt Gold versprechen eine gewisse Sicherheit. Ansonsten ist das Geld auf dem Konto zunächst gut aufgehoben. Wichtig ist das Geld zusammen zu halten, damit man noch welches hat, wenn die nächste große Chance kommt.

Wie Anleger jetzt in dieser negativen Börsenverfassung reagieren sollten und wann die nächsten Chancen kommen erfahren sie im GebertBrief.

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Autoren: Gebert, Thomas
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ISBN: 978-3-86470-965-4

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